Mai 2016
Befreiung zum Leben
Rudolf Lütticken
Eine spirituelle Vision - Essays
Internationale Ökumenische Gemeinschaft (IEF)
Mein Austritt aus Kloster und Kirche
Rudolf Lütticken Ligia Lütticken
Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott - Rumi
Solange ich vor der Angst fliehe, finde ich nicht den Weg ins Vertrauen
Solange ich angesichts des Unabänderlichen keine andere Alternative sehe als "Biegen oder Brechen", unterliege ich dem Zwang. Wenn ich mich in Einsicht dem Unabänderlichen beuge, bin ich selbstbestimmt und frei.
Religiöse Überlieferung gründet auf Behauptung, authentische Spiritualität auf der Gabe der Unterscheidung.
Mai 2016
Bittet, dann wird euch gegeben;
sucht, dann werdet ihr finden;
klopft an, dann wird euch geöffnet.
Denn wer bittet, der empfängt;
wer sucht, der findet;
und wer anklopft, dem wird geöffnet.
- Mt 7,7-8
In diesem wie in vielen anderen Worten ermutigt Jesus, Gott um das zu bitten, was wir uns wünschen oder ersehnen. Er macht keine Einschränkungen, was den Inhalt unserer Bitte angeht, und er versieht unsere Erwartungen an die Erfüllung unserer Bitte mit keinerlei Vorbedingungen außer der Bedingung des Glaubens.
Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet - glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.
- Mk 11,24
Es findet sich in den Worten Jesu keine Mahnung, Gott nicht unter Druck zu setzen, oder Ihn auf keine bestimmte Erwartung festzulegen. Er drängt im Gegenteil darauf, dass wir, wo Gott zu zögern scheint, den Druck auf Ihn erhöhen und damit nicht nachlassen, bis wir Erhörung gefunden haben (vgl. der nächtliche Freund, die aufdringliche Witwe).
Im Vater Unser gibt Jesus seinen Jüngern auf ihre Bitte hin Modell und Maßstab des Betens, wie Er es versteht und lebt. Es ist ein Beten im Spannungsfeld zwischen der eigenen Bedürftigkeit (Unser tägliches Brot gib uns heute), ja, Gebrochenheit (Schuld, Versuchung, das/der Böse) und der Anerkennung Gottes als des Vaters im Himmel, der in seiner Güte unbedingtes Vertrauen verdient. Es ist im Tiefsten die Bitte darum, das Gott sich in meinem Leben als der erweist, der Er ist. Im Spannungsfeld dieses Betens vollzieht der Betende einen Herrschaftswechsel: Aus dem Diktat seiner existentiellen Angst und Not findet er in ein unbedingtes Vertrauen, das Gott die Herrschaft und das letzte Wort überlässt. In diesem Vertrauen findet der Betende zu einem Frieden und einer Geborgenheit, die durch nichts in Frage gestellt werden können. Die Dringlichkeit der Not wird in die Tragkraft des Vertrauens gewandelt.
In diesem Sinne geschieht in jedem Gebet die Umkehr, zu der Jesus mit seiner Botschaft aufruft: Die Umkehr zu dem Vertrauen, dass im Hier und Jetzt Gottes Herrschaft und Reich anbricht und nbbdas Wunder des Lebens geschieht.
In seinem eigenen Gebet am Ölberg wird diese Umkehr deutlich:
Vater wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen; aber nicht wie ich will, sondern wie Du willst.
Nicht mehr das eigene Überleben ist für Jesus nun der Gegenstand der Bitte, sondern der Wille des Vaters und die Bereitschaft, das eigene Überleben dahinter zurück zu stellen. Bewußt lasse ich mich in diesem Vertrauen ein auf die Unbegreiflichkeit des Willen Gottes, bewußt trete ich mit ihm ein in die dunkle Wolke des Nicht-Wissens.
Und in der neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eloï, Eloï, lema sabachtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Indem ich die Unbegreiflichkeit des Leidens annehme, öffne ich mich für die Unbegreiflichkeit Gottes.
So wird das Leid zu dem Ort, an dem Gott Seinen Namen heiligt.
Darin erfüllt sich auch der messianische Auftrag Jesu: Es ist vollbracht. Darin findet Jesus selbst zu einer letzten Geborgenheit: Vater in Deine Hände empfehle ich meinen Geist. Darin ist der Tod in Leben verwandelt.
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Mk 8,35
Leben erbat er von dir, du gabst es ihm,
viele Tage auf, für immer und ewig. - Psalm 21,5
Predigt in 2005: Recht haben alle, die sich von der Gewissheit leiten lassen, dass das Erbarmen Gottes keine, aber auch gar keine Grenzen kennt und dass jeder sie für sich selber – in seiner je eigenen Not – erbitten und erflehen kann, gleich welchen Widerständen er mit seiner Bitte auch begegnet, gleich, wie wohl begründet die Grenzen sein mögen, an die er mit seiner Bitte stößt. „Bittet, und ihr werdet empfangen, suchet, und ihr werdet finden. Klopft an, und es wird euch aufgetan.“